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Persönlicher Kommentar

Bildung und Betreuung gehören jetzt auf Platz 1 der Prioritätenliste

Ein KLARtext von Tobias Kretschmer, Landesvorsitzender der Jungen Ökologen NRW

In der aktuellen Corona-Krise gibt es neben der wirtschaftlichen Herausforderung einen Bereich, der bei den PolitikerInnen bisher auf Platz 7 oder 9 der Prioritätenliste geführt wurde. Je nachdem auf welche Liste man schaut. Weit hinter Ladenöffnung, Industriestützen und Wirtschaft ankurbeln, liegt aktuell die Bildungspolitik und das, obwohl sie eine der schwächsten Gruppen unserer Gesellschaft betriff, Kinder und Jugendliche. Denn sie spielen aktuell in den Kabinettssitzungen wohl kaum eine Rolle, die Familienministerin fehlt in der „Task force“ der Regierung und das, obwohl sie mit den Familien und Kindern die Zukunft unserer Gesellschaft und des ganzen Landes mitvertritt.

Die Schwierigkeiten im Alltag der Kinder und Jugendlichen sind längst bekannt, das Fehlen von klarer Struktur, Unterricht, sozialen Kontakten außerhalb der eigenen vier Wände sind mittlerweile deutlich zu sehen und schaffen Probleme. Während Homeoffice meist zu hoher Produktivität bei den Eltern führt, wenn die Kinder betreut werden, und längst eine zukunftsreife Praxis geworden ist, hapert es beim Homeschooling gerade bei wirtschaftlich schwachen Familien an allen Enden. Die Produktivität vieler SchülerInnen ist längst nicht vergleichbar mit dem schulischen Alltag, es gibt keine Chancengleichheit und durch fehlende Investitionen ist Homeschooling weit weg von Zukunftsfähigkeit. Umso wichtiger ist es da, dass die Schulen wieder geöffnet werden. Sie sind mehr als ein Lernort, nämlich Ort der Begegnung, des Austauschs, der Betreuung, der Förderung, der Sozialisation und für manche, wirtschaftlich schwache Familien durch die Mensa auch ein Ort der Verpflegung. Es kann wohl niemanden wundern, wenn ein halbes oder ganzes Jahr ohne regelmäßigen Schulbesuch eine stärkere Prägung für die Kinder haben wird, als ein Jahr Homeoffice für die Eltern.

Wir schulden der zukünftigen Generation jetzt unsere ganze Aufmerksamkeit, nachdem wir beim Klimaschutz nur halbherzig und viel zu wirtschaftsorientiert vorgehen. Die Jugend hat kaum eine Lobby, eine Ministerin die nicht am großen Tisch sitzt und 16 KultusministerInnen, die noch kein Konzept vorgestellt haben, das bundesweit realistisch ist. Anstatt über staatliche Hilfen zu diskutieren, die AktionärInnen eine Dividende zusichern, müssen wir jetzt die Diskussion über das Öffnen der Schulen führen. Die wissenschaftliche Datenlage kann keine Grundlage für die Schulöffnungs-Entscheidung sein, da es schlicht keine Daten gibt und diese erst generiert werden müssen. Das heißt nicht, dass man rücksichtslos die Schulen für alle aufmachen soll, es bedeutet vielmehr, dass wir ein wissenschaftlich fundiertes Modell brauchen, um den Alltag für Kinder und Jugendliche wiederherzustellen. Das Experiment Homeschooling zeigt keinen großen Erfolg und deutet auf massive Schwierigkeiten hin, nun ist es an der Zeit ein neues Experiment zu starten, in den Schulen. Vielleicht mit Schichtsystemen, unterschiedlichen Zeiten für verschiedene Klassenstufen, mit kleinen Gruppen (wie am Anfang einer klinischen Medikamentenstudie), mit Hygienekonzept trotz teilweise schlechter Schultoiletten, und nicht zu Letzt mit ausreichend Abstand. Wenn die Methodik für eine Wiederöffnung der Schulen wissenschaftlich gut durchdacht und ethisch abgewogen ist, dann wird sie gerechtfertigt sein und eine echte Chance für die Generation der Zukunft.

Die Bildungspolitik hat in den letzten Jahren zu viele Versäumnisse offenbart: G8 ist klar gescheitert, die Digitalisierung wurde verschlafen (andere Länder in der EU sind uns meilenweit voraus), der Lehrermangel ist omnipräsent und die Schulgebäude wurden vielerorts massive vernachlässigt. Aktuell sind Organisation, Perspektive und Chancengleichheit in Sachen Bildung überhaupt nicht erkennbar – und genau das muss sich schnellstmöglich ändern. Schule, Betreuung und Freizeit von Kindern und Jugendlichen müssen auf Platz 1 der Prioritätenliste, nicht damit sich irgendeine PolitikerIn einen großen Klapps auf die Schulter verdient, sondern um einer ganzen Generation gerecht zu werden. Bildungspolitik ist kein Prestigeprojekt, leider nicht, sondern existenziell mit unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem verschmolzen. Auch wenn es in meinen Augen längst nicht das entscheidende Argument ist, so sei Herrn Minister Altmaier zugerufen, dass die aktuelle, junge Generation der Wirtschaftsmotor von morgen ist und viel Rentenlast zu stützen haben wird. Alle Parteien im Bundestag sind gefragt und jede Krisensitzung sollte Bildung auf die Agenda setzen. Schon seit Jahren gehen wir für Klimaschutz, der für diese Generation ebenso existentiell und wichtig ist, auf die Straße, damit sich irgendetwas tut, ein Konzept für Schule und Bildung mit Corona muss jetzt kommen, zum Demonstrieren fehlt die Zeit. Die Lasten für die folgende Generation steigen bereits steil an und dieser Anstieg darf nicht noch stärker werden, weil die Schulpolitik versagt hat. Noch ist es nicht zu spät, mit Disziplin und guten Konzepten (wie in manchen asiatischen Ländern) lässt sich der Bildungsauftrag und die junge Generation retten.


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