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Persönlicher Kommentar

Heilpraktiker

Stellungnahme des Landesvorstandsmitglieds der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) Nordrhein-Westfalen, Ben Steinberg (Essen), zum Münsteraner Kreis und dessen Memorandum Heilpraktiker

An der Uni Münster wurde zeitnah vor der Bundestagswahl, Ende August 2017, unter der Federführung von Frau Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert 17 Mediziner, Juristen und Professoren in sämtlichen Netzwerken laut und öffentlichkeitswirksam ein sog. „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“ veröffentlicht (siehe: Münsteraner Kreis: Münsteraner Memorandum Heil-praktiker. 21.8.2017. daebl.de/BB36).  Diese Expertengruppe vertritt im Großen und Ganzen die Meinung, dass die Ausübung von Heilkunde in Zukunft ausschließlich von approbierten Ärzten vorgenommen werden darf, da Heilpraktikern unterstellt wird, dass sie mangels ausreichender Qualifikation die Gesundheit von Patienten gefährden.



Vordergründig scheint es den akademisch ausgebildeten „Göttern in Weiß“ darum zu gehen, Heilpraktiker und eigentlich die gesamte alternative Medizin, egal, ob sie von Heilpraktikern oder Ärzten ausgeübt wird, zu verdrängen.
Ein aktueller Einzelfall- der Fall Brüggen, in dem ein Heilpraktiker unheilbar Krebskranken Heilversprechen gemacht hatte (im Übrigen ein noch offenes Verfahren) - wird als Beispiel für die Gefährlichkeit des Heilberufes „Heilpraktiker“ genommen.
Unsere Halbgötter haben ja den Nimbus der Unfehlbarkeit für sich gepachtet. Leider ist auch im Heilberuf keine Fehlerfreiheit möglich. Lt. dem MDK kam es beispielsweise im Jahr 2016 zu 15094 Fehlermeldungen von Ärzten, von denen 4072 Behandlungsfehler bestätigt wurden, weitere 3564 einen Nachfolgeschaden innehatten und 2948 Beeinträchtigungen im Kausalzusammenhang (vgl. MDK, 2017).

Haben die Heilpraktiker dafür einen Arbeitskreis gegen die Ärzteschaft gebildet? Nein.
Wir, die ÖDP, sind der Meinung, dass Patienten den Anspruch haben, sowohl vom Spitzenverband der Krankenkassen anerkannte Behandlungsmethoden gegen Erkrankungen in Anspruch nehmen zu können, aber auch alternative Behandlungsmethoden aus dem Bereich der Alternativmedizin und von Heilpraktikern. Der Wunsch der Patienten und auch ihr Recht auf alternativmedizinische Behandlungen von Millionen Patienten muss in der aktuellen Diskussion beachtet werden.

Immerhin verzeichneten nach dem Rechenschaftsbericht 2016 der PKV die Versicherer den höchsten Zuwachs ihrer Leistungsausgaben pro Versicherten bei der Heilpraktiker Behandlung um 5,8 Prozent (Ärztezeitung, 2016).

Oder geht es etwa um Marktanteile? Der Gesundheitsmarkt ist ein Haifischbecken.

Wie wird man eigentlich Heilpraktiker? Man muss eine Überprüfung beim örtlichen Gesundheitsamt bestehen. Geprüft wird zwar immer noch nicht nach einheitlichen Kriterien, doch ist ein Bestehen der Prüfung äußerst schwer. Der Verband Freier Heilpraktiker stellt die erforderlichen Voraussetzungen zusammen und der Verfasser beschreibt seinen eigenen Weg zum „Heilpraktikerschein“:

"Das erforderliche Wissen für die Heilpraktiker-Überprüfung:

Die einzelnen Bundesländer haben in Runderlässen die Inhalte der Heilpraktiker-Überprüfung näher ausgestaltet. Nach dem gegenwärtigen Runderlass des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW sind beispielsweise folgende Inhalte für die Heilpraktikerüberprüfung vorgegeben:

•    Berufs- und Gesetzeskunde, insbesondere rechtliche Grenzen sowie Grenzen und Ge-fahren diagnostischer und therapeutischer Methoden bei der nichtärztlichen Ausübung der Heilkunde.

•    Grundlegende Kenntnisse der Anatomie und Physiologie, einschließlich der pathologischen Anatomie und Pathophysiologie.

•    Grundkenntnisse in der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung von häufigen Krankheiten, insbesondere der Stoffwechselkrankheiten, der Herz-Kreislauf-Krankheiten, der degenerativen und übertragbaren Krankheiten, der bösartigen Neubildungen sowie seelischer Erkrankungen.

•    Erkennung und Erstversorgung akuter Notfälle und lebensbedrohender Zustände.

•    Praxishygiene, Desinfektionen und Sterilisationsmaßnahmen, Pflichten nach der Medizinproduktebetreiberverordnung.

•    Technik der Anamneseerhebung, Methoden der unmittelbaren Krankenuntersuchung (Inspektion, Palpation, Perkussion, Auskultation, Reflexprüfung, Puls- und Blutdruckmessung).

•    Bewertung grundlegender Laborwerte.

•    Injektions- und Punktionstechniken.

Jeder Heilpraktikeranwärter muss diejenigen fachlichen Grundlagenkenntnisse der Medizin besitzen, ohne deren Beherrschung heilkundliche Tätigkeiten mit Gefahren für die menschliche Gesundheit verbunden sein können.

Ferner soll durch die Überprüfung festgestellt werden, ob die antragstellende Person die Grenzen ihrer Fähigkeiten und der Handlungskompetenz des Heilpraktikers klar erkennt, sich der Gefahren bei einer Überschreitung dieser Grenzen bewusst und bereit ist, ihr Handeln entsprechend einzurichten."

(Quelle: Das erforderliche Wissen der Heilpraktikerüberprüfung (Freie Heilpraktiker e.V.)



Der Verfasser ist Heilpraktiker für Psychotherapie. In der Jugend hat er eine pädagogische Ausbildung absolviert, ist Grundschullehrer, hatte vor seiner Zulassung als Heilpraktiker über 20 Jahre im Sozialbereich gearbeitet, eine Zusatzausbildung zum Psychologischen Berater (18 Monate) absolviert, sowie eine Ausbildung bei einem zertifizierten Anbieter zum Heilprak-tiker (Psychotherapie); nebenbei Teilnahme an Fachfortbildungen zu verschiedenen Therapieverfahren.
Aus Sicht des Verfassers ist eine solche berufliche Vorbereitung völlig ausreichend, psychotherapeutisch tätig zu sein. Das meinte auch das Gesundheitsamt und stellte eine „Erlaubnis zur Ausübung von Heilkunde auf dem Gebiet der Psychotherapie“ aus.

Erfahrungsgemäß beträgt die Durchfallquote 4/5 aller Anwärter. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Jeder praktizierende Heilpraktiker steht unter der Fachaufsicht der Gesundheitsämter und nahezu alle sind Mitglied eines Berufsverbandes und achten die Berufsordnungen. Regelmä-ßige Fachfortbildungen sind im Bereich der Alternativmedizin und bei Heilpraktikern Gang und Gäbe. Die fachliche und organisatorische Kompetenz der Heilpraktiker ist sehr hoch.
Aus Sicht der ÖDP ist die im Artikel 12 des Grundgesetzes garantierte Freiheit der Berufs-wahl und Berufsausübung wichtig. Eine Abschaffung eines seit 1939 (und länger) anerkann-ten Heilpraktikerberufes ist nicht erwünscht und auch rechtlich unmöglich. Im Gegenteil, Patienten partizipieren stark vom vielfältigen Angebot der Heilpraktiker. Alternative Medizin sollte unbedingt erhalten und gefördert werden.

Konkurrenzdenken und –handeln sollte im Interesse der Angebotsvielfalt an Therapieverfahren und Behandlungsmethoden hintenanstehen. Auch vor der Bundestagswahl Stimmung machen zu wollen, ist wenig zielführend.



Die ÖDP setzt sich ein:

•    für die Anerkennung, Förderung und weitere Erforschung alternativer Heilverfahren ein. Ziel ist stets die Förderung des komplementären Ansatzes, also der optimalen Ergänzung und Zusammenarbeit von Schulmedizin und alternativen Methoden.

•    Unterstützung dieses Ansatzes durch die gesetzlichen und privaten Krankenversiche-rungen und seriöse, alternative Heilverfahren zu honorieren.

•    An den Universitäten und in der Ausbildungspraxis sind wissenschaftlich
akzeptable alternative Heilverfahren stärker zu berücksichtigen.

In der ÖDP engagieren sich viele Vertreterinnen und Vertreter sowohl von schulmedizinischen als auch von alternativ - heilenden Berufen für das gemeinsame Ziel der Sicherung einer lebenswerten Zukunft. Neben einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem sind dafür auch umfassende Maßnahmen zur gesundheitlichen Prävention erforderlich, insbesondere eine engagierte und sachkundige Aufklärung der Bevölkerung über die Möglichkeiten, Gesundheit durch ausgewogene Ernährung, Bewegung, Stressbewältigung und der Förderung der ganzheitlichen Lebensfreude zu erhalten.
(Quelle: Landespolitisches Programm der ÖDP NRW)

Wichtiger Hinweis:
Blogbeiträge stellen die persönliche Meinung einzelner Parteimitglieder dar. Diese kann in Einzelfällen von der Programmlage der Partei abweichend sein. Auch ist es möglich, dass zu einzelnen Themen und Aspekten in der ÖDP noch keine Programmlage existiert.